Von der Baustelle zum Hospiz am Deich

Dieser Text wurde kurz vor der Inbetriebnahme des Hospizes am Deich verfasst. Er ist ein Rückblick auf die Zeit, in der das Gebäude saniert wurde, und wurde geschrieben von Isabel Rada, Hauswirtschaftskraft im Küchenteam, manchmal Schriftstellerin.

Wir, das Team vom Hospiz am Deich und alle Unterstützer*innen, haben uns für ein beglückendes Abenteuer entschieden. Trotz Pandemie und unsicheren Zeiten wollten wir mit Zuversicht und Tatkraft von Anfang an dieses Projekt mit aufbauen. Es macht Mut, gemeinsam in die Fußstapfen der noch verhältnismäßig jungen Hospizbewegung zu treten. Das bedeutet, mit Empathie arbeiten zu können, den Menschen im Fokus.

Isabel Rada, Autorin dieses Textes
Schiffchen zu Wasser lassen

Andere annehmen, wie sie sind. Mit den eigenen Gefühlen sein dürfen. Selbstbestimmung der Gäste sowie ihrer An- und Zugehörigen wird hier großgeschrieben. Diese Freiheit gilt auch für unsere Mitgestaltung der jeweiligen Arbeitsbereiche. Wir werden mit Kolleg*innen arbeiten, die bei Kummer auch mal Zeit haben, die Arme zu öffnen, mit psychosozialer Begleitung und Supervision. Im Arbeitskonzept stand, der Begriff „Hospiz“ beschreibe eine Kultur und Wertehaltung, die sich unter anderem durch Gastfreundlichkeit, Zugewandtheit, Offenheit und Kultursensibilität ausdrücke. Dann die Ermutigung, die eigene Spiritualität als Ressource zu erkennen und einzusetzen. Das war das erste Mal, dass ich beim Lesen eines Arbeitskonzeptes geweint habe – vor Freude.

In einem Hospiz zu arbeiten bedeutet, eine Haltung leben, in der wir akzeptieren, dass vor unseren Augen Lebenswege enden. Wir können die Gäste, ihre An- und Zugehörigen liebevoll begleiten, viele Gegenwarten mit ihnen teilen. Aber in unserer Haltung ist das Wichtigste, den Abschied auszuhalten. Für das tröstende Gestalten von dem, was ist, sind wir angetreten.

Mitarbeitende beim Ritual an der Dove Elbe

Dass wir so lange flexibel mit der Baustellensituation umgehen mussten, bremste den Elan und warf alle Beteiligten in die Unsicherheit zurück, die auch vorher schon das Hintergrundrauschen unserer Leben geworden war. Wer in den letzten Jahren in einem sozialen oder medizinischen Beruf gearbeitet hat, hat mehr Trost gespendet als üblich oder ist auch mal in Erschöpfung geraten durch zusätzliche Belastungen und Dienstpläne, die selten vorhersehbar waren.

Vor diesem Hintergrund war es manches Mal schwer zu ertragen, Teil eines Projektes zu sein, das nun schon einige Monate in den Startlöchern stand. Und dann doch noch nicht losgehen konnte.

Es hilft, sich gemeinsam zu erinnern, dass, wenn wir Geduld aufbringen und uns gegenseitig Zuversicht geben, wir bereits hospizliche Haltung leben.

Schiffchen im Wasser (aber nur vorübergehend)
Sandy Bohn hat immer einige Schiffchen in ihrem Köfferchen.

Dennoch fiel es schwer, zuversichtlich zu bleiben, wenn unsere Gedanken zu den Menschen wanderten, die in den letzten Monaten hofften, schon bei uns einziehen zu können und denen während des Umbaus immer wieder abgesagt werden musste. Dafür gab es keinen Trost. Wir hoffen, dass sie in liebevoller Umgebung und gut begleitet Abschied nehmen konnten. Bevor wir nun in das fertig sanierte Gebäude einziehen, möchten wir einen Moment zusammen still werden, Papierschiffchen in der Dove Elbe zu Wasser lassen und an diese Menschen sowie ihre An- und Zugehörigen denken.

Anschließend können wir unsere ersten Gäste willkommen heißen in dem Gebäude aus roten Backsteinen mit seinen achtsam gestalteten Räumen, historischen Holzbalken und antiken Bodenfliesen. Trotz der hohen Decken gibt es viele Nischen und Winkel. Durch die Flügelfenster dringt viel Licht herein. Mit jedem Raum, in den wir hineingehen, können wir viele eigene kleine Welten betreten. Dieser Ort ist so schön geworden, dass wir daran glauben, dass Gäste sich hier von Anfang an wohlfühlen werden.

Dann fallen uns die schönen Momente der letzten Monate wieder ein, die tapferen, die unverhofft komischen, die wir in verschiedensten anfallenden Tätigkeiten während der langen Bauzeit natürlich auch miteinander geteilt haben. Während wir, das Team und viele Unterstützer*innen, uns kennengelernt haben, sind wir zusammengewachsen für das beglückende Abenteuer, von Anfang an das Hospiz am Deich mit aufzubauen.

Die Arbeitsgruppe Schiffchenritual, bestehend aus Isabel Rada, Julia Harder, Sandy Bohn und Bettina Kok. Nicht im Bild: Kai Puhlmann.

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