Das Ehrenamt am Deich. Die ersten Einsätze.

Lange mussten sich die Ehrenamtlichen am Deich in Geduld üben. Schon vor einem Jahr, im Juni 2022, endete der erste Qualifizierungskurs für Ehrenamtliche, den wir am Deich durchgeführt haben – in gemieteten Räumen, denn statt eines Hospizes befand sich da ja am Allermöher Deich 445 noch eine Baustelle.

Durch die Verzögerungen bei der Fertigstellung des Hospizes mussten die frischgebackenen Ehrenamtlichen dann über ein halbes Jahr warten, bis es zu ihren ersten Einsätzen kam. Natürlich gab es regelmäßigen Austausch und monatliche Treffen – aber das, wofür die 17 Menschen sich entschieden und angemeldet hatten, das musste warten.

Nun sind sie seit April im Einsatz, hurra. Vielseitig, großzügig, flexibel und pragmatisch wie sie nun einmal sind, bringen die Ehrenamtlichen sich in ganz verschiedenen Bereichen im neuen Hospiz am Deich ein: Sie bewässern die Pflanzen im Garten, bevölkern Infostände, verteilen Flyer, bereiten Abendbrot zu und stellen sich zur Begleitung unserer Hospizgäste zur Verfügung. Endlich. Fast kein Tag vergeht, an dem keine Ehrenamtlichen im Haus sind und alles das ausprobieren und einbringen, was sie sich im letzten Jahr angeeignet haben. Sie machen den Betrieb erst rund und das keineswegs, weil sie den Hauptamtlichen einen Teil ihrer Arbeit abnehmen. Die Ehrenamtlichen haben ihre ganz eigene Rolle in unserem Haus, sie sind einzigartig und unersetzlich.

Einige erste Erfahrungsberichte dürfen wir hier teilen:

Die erste hospizliche Begleitung – eine gute Erfahrung
von Edith Spicher

Da war sie nun, die erste Anfrage um Begleitung. Zugegeben, ich war gespannt, wie das werden würde und was da auf mich zukommt. Der Vorbereitungskurs war schon lange her, vieles wieder vergessen, nur eins hat sich eingeprägt: absichtslos, offen für den Menschen und das was er mitbringt, so möchte ich sein.

So trafen wir uns zu einem ersten Kennenlernen, um herauszufinden, ob wir einen Draht zueinander finden würden. Und da waren wir uns sehr schnell einig. In der kurzen Zeit, die uns blieb, entwickelte sich zwischen uns eine Beziehung gegenseitigen Vertrauens.

Die Treffen gestalteten wir nach den Wünschen von Frau W. Mal waren wir draußen in der Sonne, auf der Terrasse vor dem Eingang, oft auch mit anderen Gästen und Angehörigen zusammen. Wir spielten Tic Tac Toe, Gerüche erraten wie Pfefferminze, Zitronenmelisse, Holunderblüten, wir ließen Ostseesand durch die Finger rieseln und tauschten Erlebnisse und Erinnerungen …ach ja – und Kochrezepte. Ich sag nur Milchsuppe.

Manchmal stand auch der Wunsch nach vertraulichem Gespräch im Vordergrund. Das ging am besten im Zimmer. Da kamen kleine und große Sorgen zur Sprache, Trauriges und Ungewisses. Da ging es um Zuhören – nicht um schnelle Antworten.

Frau W. war eine kreative Frau und sehr darauf bedacht, sich auch in dieser LEBENS-phase auf Neues, vor allem auf Kontakte, einzulassen. Mit ihrer Aufgeschlossenheit hat sie gleich von Anfang an im Haus zu der offenen Atmosphäre beigetragen und so ihre Spuren hinterlassen. Sie hat es mir (!) leicht gemacht, ihr in dieser Zeit Begleitung zu sein.

Als ich von ihrem Tod erfuhr, war es gut, ich sie noch einmal sehen zu können. Und es hat mir gutgetan, dass ich im Hospiz direkt auch mit Menschen sprechen konnte, die Frau W. auch gekannt und erlebt haben. Das hat mir beim Abschiednehmen und Verarbeiten geholfen. Danach konnte ich, genau zur richtigen Zeit, in Urlaub fahren.

Ich behalte Frau W. sehr gern in Erinnerung und bin dankbar für Manches, was ich von ihr gelernt habe in der kurzen Zeit, die uns blieb. Jetzt bin ich diejenige, die gespannt ist auf Neues.

Heidrun S. und Elke W. beim Mittagessen

Abendbrotdienst
von Klaus Spicher

Ich habe den Qualifikationskurs für Ehrenamtliche Mitarbeiter absolviert und als dann die Frage auftauchte, ob sich jemand vorstellen könnte, auch mal den Abendbrotdienst zu unterstützen, habe ich für mich im Stillen gedacht, das ist nicht deins. Du machst doch nicht den Kurs, um dann Abendbrot herzurichten. So habe ich gedacht, aber die Praxis sieht anders aus. Einige Male habe ich mich dann doch bereit erklärt. Ich wollte es einfach ausprobiert haben. Und meine Erfahrung: Ja, es ist anstrengend (da der Fahrstuhl bisher noch nicht in Betrieb war), jedes einzelne Tablett die Treppe hinuntertragen. Das ist die eine Seite, wichtiger war mir die Begegnung mit den Gästen, zu fragen, was sie gern essen möchten, ob es Wünsche gibt, die vielleicht auch erfüllt werden können.

Das Abendbrot stellte dann schon mal die eine oder andere Herausforderung dar, wie z.B. Milchsuppe kochen und das, obwohl ich wahrlich kein Küchenmensch bin! Auch Kritik zu hören, es wäre nicht genug Butter oder Belag auf dem Brot gewesen. Dabei wollte ich nur vorsichtig sein! Sich herantasten und das Gespür/Gefühl für die Situation zu bekommen, habe ich als sehr spannend und bereichernd empfunden. Mit der Zeit lernt man Wünsche/Gewohnheiten kennen und stellt sich darauf ein. Dann fällt es auch nicht schwer mal Alternativen anbieten zu müssen, sollte das Gewünschte ausnahmsweise mal nicht vorhanden sein. Auch wenn die Begegnungen oft nur kurz sind, habe ich schon viel durch kleine Gesten oder ein nettes Wort zurückbekommen.  Es lohnt sich in mehrfacher Hinsicht den Abendbrotdienst zu unterstützen.  Die Pflegekräfte werden entlastet und man selbst kommt in Kontakt mit den Gästen und die Aufgabe des Ehrenamtes gewinnt immer mehr Gestalt.

Die Damen-Runde im Schatten.

Im Hospiz läuft die Zeit langsamer
von Dörte Scheer

Bei meinen Besuchen im Hospiz merkte ich schnell, es ist für mich nicht nur das Geben von Zeit, ich nehme jedes Mal auch etwas mit: Die Erkenntnis, dass es nicht viel braucht, um Menschen für den Moment zufrieden und heiter zu machen. Im Hospiz läuft die Zeit langsamer und das entspannt mich jedes Mal total, das tut mir sehr gut.

Kurze Zeit nach Eröffnung des Hospizes hatte sich eine kleine Damenrunde gefunden, die sich dann täglich, bei schönem Wetter draußen, traf. Man erzählte sich viel, manchmal auch wenig. Die Damen besuchten sich in den Zimmern und ich hörte von einer langen Nacht vor der Haustüre, bei frühsommerlichen warmen Temperaturen. Darüber freue ich mich noch heute.

Das respektvolle, freundliche Miteinander von allen beeindruckt mich immer wieder, dieses Haus ist ein ganz besonderer Ort.

Das Hospiz am Deich bei Nacht.

Published On: 10. August 2023Categories: Allgemein, Ehrenamt, Hospizarbeit

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